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„Grosses Brot“
Es gibt Dinge, die wollen erzählt werden. Sie sind einfach da, tauchen aus Schichten voller Erinnerungen, Ahnungen und Eindrücke auf. Diesem Gemenge einen Ausdruck zu geben, der stimmt, ist ein Prozess – die Schöpfung einer Welt.
Berit Mücke schafft sie mit jedem ihrer Bilder, wunderbar, vieldeutig und doch den Nerv einer Sache treffend. Ob mit widerspenstigen Landschaften oder in Figuren, die ihre Seele auf der Haut zu tragen scheinen: ein Doppeltes Gesicht, ein Kopf, dem Hörner wachsen könnten, ein Mann im Widerstreit zwischen Einflüsterung und kindlichem Ernst, Frauen wie Buchfinken und Schäferinnen, die selbst Schaf sein könnten. So entstehen jedes Mal aufs Neue Werke, in denen der menschliche Blick die Welt an einem noch so kleinen Ausschnitt kristallisieren lässt. Der Ausdruck ist dabei nicht von Absicht, sondern von großer Dringlichkeit geprägt. So stehen Berit Mückes Werke mit all ihren Widersprüchlichkeiten für sich, wollen nichts erklären und geben doch allem einen Sinn.
Dieser Prozess, der aus dem Unsagbaren schöpft und es zu einer Welt formt, ist umgekehrte Archäologie. Ein Übereinanderschichten von Versuchen, das sich an die Endgültigkeit des zu Erzählenden herantastet. Ein Vorgang, der beides ist: liebevolles Fermentieren der Zutaten unter der Einwirkung von Wärme und Zeit – und ein Fragen, bei dem alles auf dem Spiel steht, lebensbedrohlich wie das Rätsel der Sphinx vor Theben.
All dies ist zu spüren in Berit Mückes Werk – der Drang, die Dringlichkeit, die Jagd nach der Kostbarkeit und am Ende: die Leichtigkeit. Das Wissen, dass das Leben nur ein Leben ist, die Wahrheit nur eine Wahrheit von vielen. Ein Zwinkern, an dessen Rändern herrlicher Witz entsteht. Ein Lachen voll großen Ernsts.
Tobias Rohe